Barock

von Dr. Otto Klein

Weißenfels entwickelte sich in der Herzogszeit zu einer mustergültigen Residenzstadt. Über der Stadt thronte das Schloss mit Schlossgarten, Kelterei, Marstall und Großer Reithalle. Unterhalb des Schosses platzierten sich mit den drei Fürstenpalais in der Leipziger Straße wichtige Funktionsbauten des Hofes, die temporär auch von hohen Verwaltungsbeamten bewohnt wurden. Das Fürstliche Brauhaus vor dem Klingentor, die Hoffischerei und der Fürstliche Lusthafen schlossen den Residenzbereich nach Westen und Nordwesten hin ab. Am Markt standen zwei Apotheken, deren Betreiber zeitweise als Fürstliche Hofapotheker privilegiert waren. Ferner bauten mittlere Hofbeamte wie der Hoffaktor Johann Benjamin Erfurth ihre meist älteren Wohngebäude in barocker Form um. Die Kavaliershäuser in der Marienstraße waren zunächst Adelspersonen des Hofes vorbehalten, bevor sie in den Besitz bürgerlicher Hofbeamter übergingen. In der Großen Burgstraße etablierten sich ebenfalls zahlreiche Beamte des Hofes wie der Fürstliche Perückenmacher Adam Süßenbach oder im Geleitshaus die Hofprediger und Beichtväter der Herzöge. Der Freihof Georgenberg 25 wurde vom Fürstlichen Leibarzt Johann Georg Otto in Besitz genommen und in zeitgemäßer Form umgebaut. In der Nikolaistraße errichtete sich nicht nur der Hofmarschall Hans Moritz von Brühl ein prächtiges Stadthaus, hier besaßen u.a. auch der Hofkapellmeister Johann Philipp Krieger und der Hofbildhauer Johann Griebenstein ihre Wohnhäuser. Der alte Klosterviehhof im westlichen Grenzbereich der Residenz diente zuerst dem Fürstlichen Hofrat und Sekretär der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ David Elias Heidenreich als Wohnstätte, bevor er zum Fürstlichen Jägerhof umgebaut wurde. Im ehemaligen Klarissenkloster selbst war das hoch angesehene „Gymnasium illustre Augusteum“ mit Hörsälen, Wohngebäuden für Rektor und Professoren, Alumnat für Stipendiaten, Wirtschafts- und Küchengebäuden sowie mehreren Kollegien der Fürstlichen Landesregierung etabliert. Auf der Brandstätte der alten Klosterscheune in der angrenzenden Klosterstraße entstand ein weiteres Adelspalais mit schönem Garten, das zum Wohnsitz des Fürstlichen Oberjägermeisters und Oberforstmeisters Hans Dietrich von Geißmar wurde. Später erwarb es Herzog Johann Adolph I. für seine Gemahlin Christiane Wilhelmine, und nach dem Ableben des Herzogs hielten wieder adelige Hofbeamte darin Einzug. In den meisten Häusern der Kloster-, Marien- und Saalstraße wie auch der beiden Kalandstraßen lebten überwiegend niedere Hofbedienstete, Hoflieferanten und Handwerker in eher schlichten Bürgerhäusern. Selbst der Fürstliche Konzertmeister, Sänger und bedeutende Schriftsteller, Johann Beer, besaß in der Großen Kalandstraße ein eher unscheinbares Haus. Der Hofgärtner Christian Landvoigt hatte in der Fischgasse die „alte Badery“, das ehemalige Anwesen der Kalandbrüder, in Besitz genommen und für seine Zwecke umgebaut. In der Jüdenstraße reihten sich sowohl Wohnhäuser niederer und mittlerer Hofbeamter und Hoflieferanten als auch prächtige Stadthäuser mit Innenhöfen adliger Hofbediensteter. Sogar das Rathaus und der unter städtischem Patronat stehende Turm der Marienkirche wurden nach Plänen des Fürstlichen Landbaumeisters in barocker Manier errichtet. Alles in allem bot die Stadt bis Mitte des 18. Jahrhunderts, abgesehen von einigen Bauformen der späten Gotik und Renaissance, ein einheitliches Erscheinungsbild, das nur geringfügig durch Um- und Neubauten im 19. und frühen 20. Jahrhundert verändert wurde.

Barock ist eine Stilbezeichnung für die europäische Kultur und Kunst von etwa 1600 bis 1750. Das Herzogtum Sachsen-Weißenfels existierte in der Blüte der unumschränkten absolutistischen Fürstenmacht und umfasst in etwa die Zeitspanne vom beginnenden Hochbarock bis zum Übergang in das Rokoko, der Endphase des Barock. Begrifflich leitete sich Barock vom portugiesischen „barocco“ („schiefrunde, unregelmäßige“ Perle) und, die Architektur betreffend, vom französischen „baroque“ (sonderbar) ab. Im Vergleich zur Renaissance erschienen die barocken Bauformen als „verwildert und regelwidrig“, denn sie waren gewissermaßen „in Bewegung geraten“.

Diese neue Formqualität war jedoch gleichermaßen für die an einer gesteigerten Bautätigkeit interessierten weltlichen und kirchlichen Auftraggeber von Interesse, weil sie dadurch ihr Repräsentationsbedürfnis und ihre Machtansprüche besser öffentlich dokumentieren konnten. Die gegenreformatorische Bewegung stellte die barocken Kunstmittel in den Dienst des Kampfes um die Erneuerung des religiösen Lebens. Pracht und Illusion, die u.a. im Süden Deutschlands, in Polen, Böhmen und Südeuropa im Kirchen- und Klosterbau entfaltet wurden, dienten besonders der Verherrlichung Gottes (ut in omnibus glorificetur deus). Prunkvoll ausgestattete Kirchen stellten eine Vorwegnahme des himmlischen Jerusalems dar (das Zelt Gottes unter den Menschen). Die protestantische Kirche kam programmatisch dagegen ohne diesen Überschwang an Formen und Farben aus.

Barock – Schloss Neu-Augustusburg

Allerdings zeigt sich auch die Hofkirche in Weißenfels von einer recht aufwändigen Schmuckfreude, weil in ihr Bildhauer tätig waren, die sich der barocken Figurenauffassung in Italien verpflichtet fühlten und in ihr (wie auch im Schloss) norditalienische Stuckateure gearbeitet haben. In der profanen Architektur war der auf Betonung der Mitte und Symmetrie ausgerichtete fürstliche Schlossbau mit Schlossgarten das führende Bauwerk der Zeit. Er erhielt meist aufwändig gestaltete Portale, einen zurückspringenden Mitteltrakt und weit ausgreifende Seitenflügel, die den Ehrenhof (Cour d’honneur) umschlossen. Die Fassade lebte von doppelten Säulen oder Pilastern, die als Bauglieder mehrere Geschosse verbanden (Kolossalordnung), von starken Gesimsen und gekröpften Dreiecks- und gesprengten Segmentgiebeln über Türen und Fenstern. Großartige Stuckaturen, Decken- und Wandfresken mit antiken, allegorischen oder mythologischen Themen, Werke der Bildhauerkunst, Gemälde, kostbare Möblierung, Spiegel, Teppiche etc. im Innenraum sollten die Wirkung der Architektur verstärken und machten das Schloss zum Gesamtkunstwerk. Der Schlossgarten mit seltenen südeuropäischen Gehölzen, ornamental angelegten Blumenrabatten, Laubengängen und verschlungenen Wegen, mit Orangeriegebäuden, Pavillons, Springbrunnen und plastischen Figuren war geradezu eine Öffnung und Erweiterung des Palastes in die von Menschenhand gestaltete Natur hinein. Er blieb in seinen kunstvollen Arrangements den Lustbarkeiten des Herrscherhauses und seines Hofstaates vorbehalten. So wie Schloss, Schlossgarten und alle Gebäude der Hofhaltung waren auch Musik, Theater, Ballett und Literatur der standesgemäßen Huldigung und Verherrlichung des Fürsten und seiner Familie verpflichtet.

Das Vorbild des europäischen Fürstenbaues war das Schloss Versailles in Frankreich. Die luxuriöse Residenz des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. mit einer Breite von 576 Metern und einer Tiefe von 407 Metern und einem riesigen Schlossgarten war auch von der Maßstäblichkeit her die gewaltigste Schlossanlage in Europa. Bedingt durch die örtlich beengte Gegebenheit ließ sich Schloss Neu-Augustusburg in Weißenfels nicht in der beispielhaften Grundform errichten. Die Topographie ließ auch die unmittelbare Einheit von Schloss und Schlossgarten nicht zu. Gleichwohl gehört dieses Residenzschloss zu den größten frühbarocken Bauten im mitteldeutschen Raum. Orientiert am französischen Vorbild, doch mit individuellen Abwandlungen, entstanden im 17. und 18. Jahrhundert überall prächtige Adelspaläste und Herrenhäuser, meist von schönen Parkanlagen umgeben. Bürgerliche Wohnbauten suchten hingegen das Beispiel in den Stadtpalais des Adels. Ab 1730 setzte sich überall der leichtere Rokoko-Stil durch. Er leitete seine Bezeichnung von der Rocaille, einem Muschelornament als dominantes „Leitmotiv“, ab, das sowohl am Außenbau und im Innenbereich von Gebäuden als auch in der Gestaltung von Möbeln, Einrichtungsgegenständen und in Werken der bildenden Kunst vielfältige Verwendung fand. Dem Rokoko folgte etwa um 1760/80 der klassizistische Baustil mit klassischen Architekturformen.

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